Seeschlangen: Angriffe auf Menschen womöglich ein fehlgeleiteter Paarungstanz
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Seeschlangen sind sehr giftig. Immer wieder kommt es zu Angriffen auf Menschen – mitunter auch zu Todesfällen.
© Quelle: Jack Breedon/dpa
Die olivfarbene Seeschlange sieht wie ein Fabelwesen aus und lebt inmitten des australischen Korallenmeers. Doch die Idylle zwischen schillernden Korallen und bunten Fischen täuscht. Nicht selten kommt es zu scheinbar grundlosen Angriffen der eigentlich zwar wenig aggressiven, aber giftigen Schlangen auf Taucher. Ein Team um Richard Shine von der Macquarie University in Sydney hat nun solche Begegnungen analysiert. Das überraschende Ergebnis berichten die Forscher in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“: Männliche Schlangen halten Taucher demnach möglicherweise für überdimensionierte Weibchen.
Taucher berichtet von Verfolgungsjagd: Seeschlänge bricht Angriff nach Kapitulation ab
Seeschlangen sind berüchtigt für plötzliche Angriffe. Ein Taucher berichtet von einer Verfolgungsjagd: Zwanzig Minuten flüchtete er vor einer großen Seeschlange und ihrem bedrohlichen Biss – ohne zu entkommen. Als er kapitulierte, blieb der Angriff jedoch aus. Die Schlange ließ ihre Zunge in seine Richtung schnellen und schaute ihn etwa eine Minute lang an. Dann kehrte sie um und schwamm davon.
Um dem seltsamen Verhalten auf den Grund zu gehen, tauchte Co-Autor Tim Lynch vom australischen Forschungsinstitut CSIRO mehrfach im Korallenmeer unweit der australischen Ostküste, wo er die bis zu zwei Meter große olivfarbene Seeschlange „Aipysurus laevis” in ihrem natürlichen Lebensraum filmte. Dabei wurde er 74 Mal angegriffen – vor allem von Männchen während der Paarungszeit.
Angriffe auf Menschen ähneln dem typischen Balzverhalten der Schlangen
Bei dieser Balz zwischen Mai und August jagt das Männchen seine Partnerin. Blitzschnell wickelt es seinen Körper um ihren und lässt immer wieder seine Zunge aus dem Maul schnellen. Oft ziert sich das Weibchen. Es schwimmt davon, versteckt sich in Felsspalten und wartet die Verfolgung ab.
Lynch beobachtete, dass die Angriffe auf Menschen dem typischen Balzverhalten der Schlangen ähneln. Sie schwammen plötzlich auf ihn zu, leckten mit ihren Zungen an seinem Taucheranzug und schlängelten sich um seine Beine. Eine Angstreaktion zur Verteidigung, zu der auch Bisse zählen, sei das jedoch nicht, betont er.
Gebissen wurde Lynch kein einziges Mal. Mitunter nahmen auch weibliche Schlangen Kontakt zu ihm auf – offenbar vor allem aus Neugier: Sie schwammen langsam in seine Richtung und verloren nach kurzer Zeit das Interesse. Männliche Schlangen dagegen näherten sich häufiger, schneller und hartnäckiger – insbesondere dann, wenn sie gerade ihr Weibchen aus den Augen verloren hatten.
Forschende: Angriffe womöglich fehlgeleiteter Paarungstanz
Sind die Angriffe also in Wirklichkeit ein fehlgeleiteter Paarungstanz? Die Forscher halten das für plausibel. Denn die Schlangen können unter Wasser viel schlechter sehen als ihre Artgenossen an Land. Im Meer nehmen sie außerdem keine Pheromone wahr – Botenstoffe, mit denen sich Schlangen an Land finden. Einer männlichen Seeschlange fällt es deshalb schwer, eine Partnerin unter Wasser zu identifizieren. So können sie Taucher für überdimensionale Weibchen halten.
Tauchern geben die Forscher einen klaren Rat: bei einem vermeintlichen Angriff Ruhe bewahren. Fühlt die Seeschlange sich nicht bedroht, zieht sie sich nach dem nicht erwiderten Balzverhalten zurück. Was einfach klingt, ist in der akuten Situation unter Wasser wohl deutlich schwieriger: Denn ein Biss der Seeschlange wäre hochgiftig.
RND/dpa