Sprechen Sie Karriere-Deutsch?
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Martin Wehrle ist Karrierecoach und Bestseller-Autor, sein neues Buch heißt „Der Klügere denkt nach – Von der Kunst, auf die ruhige Art erfolgreich zu sein“ (Mosaik, 2017).
© Quelle: gpt
Hannover. Wer eine Reise in ein fernes Land unternimmt, weiß genau: Wenn ich dort meine Muttersprache spreche, werde ich nicht verstanden. Deshalb packt er sich ein Wörterbuch ein und lernt außerdem auch noch ein paar Vokabeln. Doch auch in der Geschäftswelt gilt eine eigene Sprache. Und wer sich ausdrückt wie im Alltag, wird falsch verstanden. Das ist gefährlich, denn es kann den Zugang zu Jobs versperren und Karrierechancen kosten.
Nehmen Sie zum Beispiel Vorstellungsgespräche. Ein Bewerber wird nach seinen Eigenschaften gefragt und sagt: „Ich bin kontaktfreudig.“ Anscheinend ist ihm nicht bewusst, wie seine Äußerung übersetzt werden kann: als Geständnis einer Plaudertasche, die mit ihrer Kaffeetasse von Schreibtisch zu Schreibtisch wandert, statt sich auf die eigene Arbeit zu konzentrieren. Besser hätte er gesagt: „Meine kommunikativen Kompetenzen sind ausgeprägt. Es fällt mir leicht, neue Kunden zu akquirieren und Entscheidungsträger für mein Netzwerk zu gewinnen.“
Versetzen Sie sich in den Kopf des Empfängers
Diese Aussage stellt den Vorteil der Firma in den Mittelpunkt und setzt auf Business-Schlüsselwörter wie „Kompetenzen“, „akquirieren“, „Entscheidungsträger“ und „Netzwerk“. Auf einmal erscheint der Bewerber nicht mehr als Plaudertasche, sondern als zupackende und aufgeschlossene Arbeitskraft, die gut für die freie Stelle geeignet scheint.
Bei jeder Kommunikation gibt es zwei Rollen: einen Sender und einen Empfänger. Die Kunst besteht darin, dass Sie sich in den Kopf des Empfängers versetzen: Welche Sprache spricht er im Unternehmen und mit Geschäftspartnern? Durch welche Wortwahl lässt sich mein ursprünglicher Gedanke in seine Sprache übersetzen?
Wer sich „viel Ausdauer“ nachsagen will, kann in den Verdacht geraten, eine Arbeitsschnecke zu sein, die für kleinste Aufgaben extrem viel Zeit (und deshalb Ausdauer) benötigt. Eine gute Übersetzung: „Ich halte bei Projekten hartnäckig die Deadlines ein, auch wenn die Ressourcen knapp sind und das Marktumfeld ungünstig.“ Wer sich als „einfühlsam“ bezeichnet, kann wahlweise als Weichei, Frauenheld oder Nymphomanin verkannt werden. Klüger wäre es zu sagen: „Ich bin kompetent in der Analyse, wohin sich der Markt und die Bedürfnisse der Kunden entwickeln.“
Vorsicht bei Gehaltsverhandlungen
Auch auf unverschämt wirkende Nachfragen von Personalern sollten Sie stets sachlich antworten. Möglicherweise kann die Provokation eine Art Test sein, ob Sie kontroversen Dialogen standhalten können. Besonders heikel wird es, wenn Sie sich mit einem Vorgesetzten zu Gehaltsverhandlungen treffen. Dann sollten die Worte überlegt gewählt werden. Sie sollten auf keinen Fall sagen, was Sie denken, zum Beispiel: „Ich habe seit drei Jahren keine Erhöhung mehr bekommen und bin jetzt endlich mal dran mit einem Plus von 300 Euro pro Monat.“ Besser klingt die empfängerorientierte Business-Variante: „In den letzten drei Jahren habe ich für das Unternehmen einen enormen Mehrwert geschaffen, zum Beispiel durch (…) Auf dieser Basis ist eine Gehaltserhöhung von 450 Euro für die Firma eine sinnvolle Investition und meiner Leistung angemessen.“ Natürlich haben Sie noch einen Verhandlungsspielraum von 150 Euro eingebaut, weil Sie um die Verhandlungsrituale in der Geschäftswelt wissen.
Wenn Sie so empfängerorientiert sprechen, polieren Sie Ihre Eigenschaften auf und werden als Profi wahrgenommen. Folgende Übung kann Ihnen dabei helfen: Nehmen Sie ein A-4-Blatt. Legen Sie es quer vor sich. Ziehen Sie dann in der Mitte einen Strich und schreiben Sie links Ihre allgemeinen Eigenschaften auf, zum Beispiel: „Habe Humor“, während Sie auf der rechten Seite die Übersetzung mit Bezug auf Ihre Stelle hinzufügen, zum Beispiel: „Mein Führungsstil motiviert das Team und sorgt für ein gutes Arbeitsklima.“
Wer die Landessprache beherrscht, kommt im Leben einfacher weiter – das gilt nicht nur bei Fernreisen, das gilt auch in der Karriere.
Von Martin Wehrle/RND