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Kolumne „Von oben gesehen“

Raumfahrt der Superlative: Ist das wirklich nötig?

Trümmerteile liegen nach dem Start von „Starship“ in der Nähe der Startrampe.

Trümmerteile liegen nach dem Start von „Starship“ in der Nähe der Startrampe.

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Bei SpaceX war die Freude groß: Die „Starship“-Rakete löste sich bei ihrem Erststart am 20. April erfolgreich vom Startplatz, und schaffte vom eigentlich geplanten über einstündigen Flug immerhin gut vier Minuten.

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Die Raumfahrtwelt hat gelegentlich eine leichte Vorliebe für Superlative. „Starship“ bedient diese hervorragend. Lange hielt die „Saturn V“ der Nasa mit 111 Metern den Rekord für die größte je geflogene Rakete. Nun hält das „Starship“, eine Kombination aus der Boosterrakete „Super Heavy“ (der Name ist mit einer Startmasse von rund 5000 Tonnen Programm) und dem Raumschiff „Starship“ den Rekord mit sagenhaften 119 Metern. Dabei ist „Starship“ nicht nur die längste, sondern auch leistungsstärkste Rakete. Sie soll eines Tages so viel Nutzlast – also Menschen, Satelliten, Ausrüstung – ins All transportieren können wie keine Rakete vor ihr.

Auch die Kosten steigen

Doch es sind nicht nur die Raketen – ob „Starship“ oder „SLS“, mit dem die Nasa zurück zum Mond fliegen will – die immer größer werden. Auch die Kosten steigen angesichts dieses Höher-schneller-Weiters natürlich. Manchmal frage ich mich angesichts dieser Superlative: Ist das wirklich nötig? Doch wenn wir das All weiterentdecken wollen oder, wie SpaceX es ausdrückt, die Menschheit „multiplanetar“ werden soll, dann lautet die Antwort: ja.

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Denn um zu Mond und Mars zu kommen – Letzterer ist mindestens sechs Monate Reise entfernt –, ist es nicht nur aufgrund der Entfernungen noch ein weiter Weg. Treibstoff und die hohen Kosten, die dabei anfallen, sind zwei der Hauptschwierigkeiten. Deshalb verwendet das „Starship“ als erste Rakete überhaupt Methan als Treibstoff. Denn Methan kann für einen Rückflug auch auf dem Mars hergestellt werden. Außerdem ist geplant, das „Starship“ nach dem Start im Erdorbit noch einmal aufzutanken. Das erneute Auftanken ermöglicht so auch eine größere Nutzlast von mehr als 100 Tonnen. Zum Vergleich: Das SLS schafft je nach Konfiguration „nur“ knapp 50 Tonnen.

Fragwürdiger Humor, ernsthaftes Businessmodell

Hinzu kommen die kostengünstigen, wiederverwertbaren Raptor-Triebwerke und der Plan, beide Stufen des „Starships“ in Zukunft genauso landen zu können wie es die „Falcon‑9“-Raketen bereits tun. Musk hofft, in wenigen Jahren einen „Starship“-Launch für 10 Millionen Dollar abwickeln zu können – das wäre eine wirklich unfassbar niedrige Summe in der Raumfahrt.

Somit ist das „Starship“ nicht bloß aktuell führend in einem Superlativwettbewerb, sondern tatsächlich ein sinnvolles Mittel zum Zweck für die weitere Exploration des Alls.

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Doch auch wenn sich hinter „Starship“ ein durchaus ernsthaftes Businessmodell verbirgt: Ein bisschen Spielwiese bleibt Musk dennoch. In der Vergangenheit ließ sich etwa seine Vorliebe für die Zahl 420 feststellen – in den USA ein Code für Cannabiskonsum. So konnte Musk sich vorstellen, die Börsennotierung von Tesla zu beenden und die Anteile für je 420 Dollar zu verkaufen; twitterte, dass „69.420 % aller Statistiken falsch sind“; und bot beim Kauf von Twitter nicht 54, sondern 54,20 Dollar pro Aktie. Das macht auch vor SpaceX nicht Halt: Die Zusammensetzung einer früheren Version des Starships? Booster 4, und Ship 20. Und gestartet ist Starship letztendlich am 20. April, in der US‑amerikanischen Schreibweise ebenfalls: 420.

Doch zum Glück muss man den Humor nicht teilen, um sich der Vision von multiplanetarer Menschheit anzuschließen.

Insa Thiele-Eich ist Meteorologin und forscht an der Universität Bonn an den Zusammen­hängen zwischen Klimawandel und Gesundheit. Seit 2017 trainiert sie im Rahmen der Initiative Die Astronautin als Wissenschaftsastronautin für eine zweiwöchige Mission auf der Internationalen Raumstation – und wäre damit die erste deutsche Frau im All. Sie ist Mitglied im Stadtrat von Königswinter für die Königswinterer Wählerinitiative. Hier schreibt sie alle zwei Wochen über Raumfahrt, den Klimawandel und die faszinierende Welt der Wissenschaft.

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