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Studie: Riesige Mengen an fruchtbarem Boden gehen durch Landwirtschaft verloren

In Deutschland etwa habe der Bodenverlust spürbare Folgen, das gelte für Mais aber auch für Weizen und praktisch alle landwirtschaftlichen Kulturen.

In Deutschland etwa habe der Bodenverlust spürbare Folgen, das gelte für Mais aber auch für Weizen und praktisch alle landwirtschaftlichen Kulturen.

Seit der Ansiedlung der Europäer im Mittleren Westen der USA hat die Region riesige Mengen an fruchtbarem Boden verloren. Das belegt ein Team um Evan Thaler von der University of Massachusetts in Amherst. Es analysierte den Bodenverlust im sogenannten Maisgürtel, der sich über mehrere US-Bundesstaaten erstreckt, unter anderem mit verschiedenen Satellitendaten. Rund 35 Prozent der Ackerfläche hätten bereits den ursprünglichen Mutterboden verloren, schreibt das Team in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS). Die Region sei einst Prärie mit einer dicken Schicht an Mutterboden gewesen.

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Das Phänomen trete überall auf, wo es viel Landwirtschaft gebe, sagte Agrarwissenschaftler David Wüpper von der Eidgenössisch Technischen Hochschule Zürich (ETH) auf Anfrage der dpa. Es sei extrem schwierig, Bodenerosion großflächig genau zu messen, doch die Studie habe eine ganz neue Herangehensweise.

Auch in Deutschland steigen Erträge nicht mehr

In Deutschland etwa habe der Bodenverlust spürbare Folgen, sagt Karl Auerswald von der Technischen Universität München, Standort Freising-Weihenstephan. „Die hohen Abträge sind wohl ein wesentlicher Grund, warum die Ernteerträge die letzten 20 bis 30 Jahre nicht mehr gestiegen sind“. Das gelte für Mais, aber auch für Weizen und praktisch alle landwirtschaftlichen Kulturen.

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„Obwohl wir züchterischen Fortschritt haben und der Mais durch den Klimawandel besser wachsen müsste, bleiben die Erträge gleich“, betont Auerswald. Beide Einflüsse, züchterischer Fortschritt und Wirkung des Klimawandels, ließen sich gut quantifizieren. „Demnach müssten die Maiserträge eigentlich bei 550 Dezitonnen pro Hektar und Jahr liegen, bleiben aber bei 450.“

Häufige und intensive Bodenbearbeitung sorgt für Verluste

Über die Ursachen des Bodenschwunds sind sich die Forscher einig. Erosion ist vor allem eine Folge der häufigen und intensiven Bodenbearbeitung, die zweierlei bewirkt: Zum einen wird der Boden selbst mit jeder Bearbeitung ein wenig hangabwärts verlagert, was man Bearbeitungserosion nennt. Zum anderen schafft die Bearbeitung unbedeckte, instabile Böden. Die können bei Starkregen leicht vom Wasser weggespült werden, dann kommt es zur Wassererosion.

Nach Berechnungen der US-Forscher sind durch die Landwirtschaft rund 1,4 Milliarden Tonnen Boden hauptsächlich auf den Erhebungen und an den Hängen im Maisgürtel verloren gegangen. Dieser Verlust bezieht sich jedoch nur auf Bereiche, wo der ursprüngliche Mutterboden komplett verschwand. Flächen in Zwischenstadien haben die Forscher, die unter anderem reflektierte Strahlen der Bodenoberflächen verglichen, nicht analysiert.

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Allein dieser Bodenverlust sei wesentlich größer, als bislang durch direkte Bodenuntersuchungen angenommen. Durch diesen Verlust ergebe sich eine um 6 Prozent verminderte Ernte in der Region und somit ein wirtschaftlicher Schaden von rund 2,8 Milliarden Dollar pro Jahr (2,3 Milliarden Euro). Darin seien die Kosten für den nun vermehrt benötigten Dünger noch nicht eingerechnet.

Böden können kein Wasser mehr puffern

Zudem hat das Düngen seine Grenzen. „Es gibt keinen Nährstoffmangel auf diesen Äckern, sondern einen Wassermangel, weil der Boden nicht mehr so viel Wasser speichern kann“, erläutert Auerswald auch mit Blick auf entsprechende Böden in Deutschland. „Die großen Trockenzeiten hatten wir, weil wir mit dem Boden so umgegangen sind, dass er Wasserspeicherkapazität verloren hat. Jetzt puffert er weniger, und er wird heißer, weil kein Wasser mehr verdunsten kann.“

Zugleich hätten die Böden große Bedeutung für den Klimaschutz, schreiben die Forscher: „Weltweit ist das in Böden gespeicherte Reservoir an Kohlenstoff dreimal größer als das in der Atmosphäre.“ Ein Aufbau von Mutterboden entziehe der Atmosphäre viel Kohlendioxid.

Auerswald verweist auf frühere Arbeiten in Bayern, die einen deutlichen Bodenschwund bereits für die vergangenen Jahrzehnte festgestellt hatten. „80 Jahre sind eine kurze Zeit, da unsere Böden ja schon seit der Jungsteinzeit bewirtschaftet werden. Mit unseren heutigen Abtragsraten hätten Landwirte hier nicht so lange durchgehalten.“

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Lösungsansatz: Stroh sichtbar lassen

Sowohl Bearbeitungs- als auch Wassererosion lasse sich sehr einfach vermeiden, betont Auerswald: Weniger Bodenbearbeitung sowie Pflanzenreste und Streu auf der Bodenoberfläche lassen. Er plädiert für mehr Mulchen und ein anderes Pflügen. Bei Pflugwettbewerben gewinne heute eher der, bei dem kein Strohhalm mehr herausgucke. Für den Boden sei aber das umgekehrte Ziel besser – viel Stroh noch sichtbar zu lassen. Wüpper fügt hinzu, bei Mais etwa liege das Feld lange frei, da seien Zwischenfrüchte angebracht.

Böden weniger zu bearbeiten ist Auerswald zufolge nicht so leicht durchzusetzen, obwohl es für das Mulchen oder das Pflanzen von Zwischenfrüchten sogar Geld gebe. Der Deutsche Bauernverband betonte dagegen bereits 2019, dass der Pflug immer weniger eingesetzt werde und die Aussaat von Zwischenfrüchten gestiegen sei. Wüpper verweist darauf, dass Landwirte, die nicht pflügen, mit mehr Schädlingen zurechtkommen müssten. Es sei nicht leicht, die Methoden fundamental umzustellen, sagte Wüpper. „Weg vom Pflug – das ist eine komplette Systemumstellung mit viel Lernaufwand“, so der Agrarwissenschaftler.

RND/dpa

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