„Trans ist einfach ein Teil meines Frauseins“

Als sie das erste Mal ein Kleidungsstück in einer Damenumkleidekabine anprobierte, war das ein tiefer Einschnitt in ihrem Leben: Felicia Ewert.

Als sie das erste Mal ein Kleidungsstück in einer Damenumkleidekabine anprobierte, war das ein tiefer Einschnitt in ihrem Leben: Felicia Ewert.

Was ist das eigentlich: Frausein? Woran machen wir Weiblichkeit fest – an äußerlichen Attributen wie Kleidung oder Frisur? An Geschlechtsorganen – Busen und Vagina oder Penis? Oder ist es ein Gefühl, eine Gewissheit, die tief in unserer Seele sitzt?

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Wer mit Transfrau Felicia Ewert über den Weltfrauentag redet – und auch darüber, wer an diesem Tag noch zu oft am Rande steht – gerät schnell an sehr grundsätzliche Fragen. Es vergehen nur ein paar Minuten, bis die Frau mit der ebenso rauen wie sanften Stimme mit althergebrachten Vorstellungen vom Frausein gründlich aufgeräumt hat.

Coming-out mit 26

Denn nein, es sind nicht Röcke, lange Haare oder das Make-up, das die heute 34-Jährige mit dem Frausein verbindet. Obwohl Ewert die erste Anprobe in einer Damenumkleidekabine als einen tiefen Einschnitt in ihrem Leben erinnert. Nach ihrem späten Coming-out – mit 26 – genießt die transsexuelle Frau es anfangs, sich stark zu schminken. Jahrelang trägt sie keine Jeans, die Haare sind lang, beides offenbar nicht nur zum Spaß, sondern auch aus Sorge, unweiblich zu wirken. Irgendwann hat Ewert, die mit ihrer Partnerin ein gemeinsames Kind großzieht, genug von der optischen Anpassung und lässt sich einen Sidecut schneiden. Ein Befreiungsschlag. Einer von vielen.

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Ewerts Frausein ist geprägt vom Kampf um etwas, das für viele Geschlechtsgenossinnen selbstverständlich ist, das sie hingegen wieder und wieder beweisen muss. Auch in feministischen Kreisen.

Radikaler Begriff von Weiblichkeit

Das hat möglicherweise damit zu tun, dass Ewerts Begriff von Weiblichkeit so radikal ist. Denn es sind auch nicht körperliche Attribute wie Busen oder Vagina, die aus ihrer Sicht eine Frau ausmachen. „Frausein bestimmt sich nicht durch das, was ich zwischen den Beinen habe“, sagt sie bestimmt. Sie spricht offen über ihre drei Operationen; sie hat Vulva und Vaginalplastik machen lassen. Aber es gebe viele Transgendermenschen, die einen medizinischen Eingriff scheuten, aus Angst vor der Operation beispielsweise – und die sich dennoch als Frau fühlten. Woran macht sich Frausein also fest? „Es ist etwas, das man weiß und das sich nicht erklären oder beweisen lässt, auch Cis-Frauen können das nicht“, sagt Ewert. Mit Cis-Frauen sind Frauen gemeint, bei denen Geschlechtsidentität und Geburtsgeschlecht übereinstimmen.

Dennoch bestimmt die Diskussion darum, wer überhaupt eine Frau sein darf, teilweise noch den Diskurs. Transfeindlichkeit komme von der Frauenorganisation Terre des femmes. Therapien zur vermeintlichen „Heilung“ von Homosexuellen seien in Deutschland mittlerweile verboten, sagt Ewert. Terre des femmes habe sie bei transsexuellen Jugendlichen jedoch zeitweilig beibehalten wollen. Ewert bezieht sich mit diesen Sätzen auf einen Offenen Brief an den Bundestag, den die beiden Vorstandsvorsitzenden von Terre des femmes unterzeichnet haben. Darin wird dafür plädiert, dass sogenannte „Konversionstherapien“ zwar im Bezug auf die sexuelle Orientierung, nicht aber in Bezug auf die Geschlechtsidentität, künftig per Gesetz verboten werden. Die beiden Vorstandsfrauen haben sich aber mittlerweile von der Unterzeichnung des Briefes distanziert, der Formulierungen enthielt, die „ungewollt zumindest eine Nähe zur Transfeindlichkeit“ aufwiesen.

Frausein bestimmt sich nicht durch das, was ich zwischen den Beinen habe.

Felicia Ewert, Transfrau

Ihre Hauptgegner sind die Männer

Manche Feministinnen sprächen ihr ab, eine echte Frau zu sein, weil sie nicht als Mädchen groß geworden sei, sagt Ewert: Dabei sei „Trans einfach ein Teil meines Frauseins, ebenso wie ich schwarzhaarig oder Brillenträgerin bin.“ „Vor allem bei Social Media werde ich von Organisationen und Einzelpersonen als Mann einsortiert, der sich von Frauenhäusern, Schutzräumen fernhalten muss“, sagt sie. Frauen dort hätten in der Regel männliche Gewalt erfahren. „Angeblich geht auch von mir aufgrund meiner Transgeschlechtlichkeit Gewalt aus“, sagt Ewert und man hört, wie absurd sie das findet: „Es gibt auch in Feminismen noch Aufklärungsbedarf.“

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Ihre Hauptgegner aber sind Männer. Sie erhält Beleidigungen, Hassmails, Vergewaltigungs- und Morddrohungen. 2019 muss sie einen Vortrag unter Polizeischutz halten. Manchen reiche es nicht, sie im Internet zu beleidigen. Sie kämen zu Vorträgen, machten Fotos, um sie im Netz zu kommentieren. Wie geht sie damit um? Auf eine sehr verdrehte Art sei das eine Bestätigung ihrer Arbeit, sagt Ewert: „Die biologischen Vorstellungen zu kritisieren stellt offenbar die Vorstellung von vielen Männern darüber, was männlich ist, zu sehr infrage. Das können sie nicht ertragen.“

Felicia Ewert, geboren 1986, ist Politikwissenschaftlerin, Autorin, Podcasterin und Referentin zu den Themen Transfeindlichkeit und Sexismus. 2020 erschien die zweite Auflage ihres Buchs “Trans. Frau. Sein. Aspekte geschlechtlicher Marginalisierung” (Edition Assemblage, 160 Seiten, 15 Euro).

Wir haben in diesem Artikel den Absatz zu Terre de femmes am 19. März aktualisiert.

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