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Kolumne „Von oben gesehen“

Warum es eine gute Idee ist, frühzeitig nach Gefahren aus dem All Ausschau zu halten

Asteroiden können zur Gefahr für die Erde werden, wenn sie ihr zu nahe kommen.

Asteroiden können zur Gefahr für die Erde werden, wenn sie ihr zu nahe kommen.

18 Tage hatte Bruce Willis Zeit, um 1998 im Film „Armageddon“ die Welt vor dem sicheren Untergang durch einen Asteroiden zu retten. Dass Asteroiden gefährlich werden können, mussten schon die Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren erfahren. Damals stürzte ein über 10 Kilometer großer Gesteinsbrocken vor die Küste Mexikos – und löschte infolgedessen zwei Drittel aller lebenden Arten aus. Aber kann man im Ernstfall einen Asteroiden wirklich abwehren?

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Um diese Frage zu klären, machte man sich auf die Suche nach einem geeigneten Testobjekt – und wählte den 160 Meter kleinen Asteroiden Dimorphos, der in einem Zwillingssystem den etwas größeren Asteroiden Didymos umkreist. Durch einen gezielten Aufprall soll seine Umlaufbahn deutlich verändert werden. Das Asteroidensystem eignet sich hervorragend: Zum einen ist Dimorphos klein genug, dass man sich durch den Aufprall eine messbare Wirkung erhofft, zum anderen wird der Test nicht die gemeinsame Umlaufbahn des Doppelsystems um die Sonne verändern und beugt so einer Gefahr für die Erde vor.

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Eine komplexe Choreografie

Bruce Willis stand diesmal für den Aufpralltest leider nicht zur Verfügung, dafür aber die etwa kühlschrankgroße Raumsonde Dart (Double Asteroid Redirection Test). Am 26. September war es schließlich so weit: Nach einer zehnmonatigen Reise näherte sich Dart erfolgreich dem Zwillingssystem, wählte dank Autopilot und Hochpräzisionskamera den richtigen Gesteinsbrocken aus und prallte mit 6,6 Kilometer pro Sekunde auf Dimorphos – ein erster Erfolg. Ob damit auch seine Umlaufzeit wirksam um mindestens 73 Sekunden verringert wurde, kann erst in einigen Wochen sicher gesagt werden.

Um das Ganze zu beobachten, bedarf es eines komplexen Zusammenspiels aus Beobachtungsinstrumenten – sowohl auf der Erde als auch mit den Hubble- und James-Webb-Teleskopen im All. Um einen kurzen Eindruck des Geschehens hautnah mitzuerleben, wurde zwei Wochen vor dem Aufprall von Dart selbst ein kleiner italienischer Cubesat freigesetzt, der sich drei Minuten hinter der Raumsonde befand. Und zur Sicherheit wird 2024 die Mission Hera der europäischen Weltraumbehörde Esa gestartet, die Ende 2026 das Doppelsystem erreichen und eingehend analysieren wird – diesmal sogar auf der Oberfläche von Dimorphos. Eine komplexe Choreografie, und auch wenn sie bisher ganz nach Plan zu funktionieren scheint, stellt sich die Frage: Brauchen wir solche aufwendigen und kostspieligen Tests überhaupt?

Asteroideneinschlag sehr unwahrscheinlich

Tatsächlich sind Einschläge größerer Asteroiden auf der Erde zwar sehr selten, die Wahrscheinlichkeit liegt aber auch nicht bei null: Am 24. September 2182 könnte der knapp 500 Meter breite Asteroid Bennu immerhin mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:2700 (0,037 Prozent) auf der Erde einschlagen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er irgendwann zwischen 2100 und 2300 auf der Erde einschlägt, liegt sogar bei 1:1750. Das entspricht, wie es zwei Harvard-Statistikprofessoren bildlich übersetzen, der Wahrscheinlichkeit, beim Dart-Wurf mit geschlossenen Augen mitten ins Schwarze zu treffen.

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Apropos: Ein 160 Meter großes Ziel in elf Millionen Kilometer Entfernung zu treffen, ist wahrlich Erfolg genug, aber es geht bei Dart um mehr. Durch den Aufprall wurde Material freigesetzt, das wiederum Sonnenlicht reflektiert – je mehr Material, desto heller. Das kann man ebenfalls von der Erde aus beobachten und daraus wieder Rückschlüsse zur Beschaffenheit und zum Aufbau von Dimorphos ziehen. Im besten Fall haben wir also dank Dart nicht nur ein besseres Verständnis von der Gefahrenabwehr für unseren Planeten, sondern auch noch Erkenntnisse zur Zusammensetzung unseres Universums.

Eines ist auf jeden Fall klar: Es ist eine gute Idee, frühzeitig Ausschau nach gefährlichen Objekten zu halten. 18 Tage Vorbereitungszeit sind für die Raumfahrt einfach zu kurz – egal, ob mit Bruce Willis oder ohne.

Insa Thiele-Eich ist Meteorologin und forscht an der Universität Bonn an den Zusammen­hängen zwischen Klimawandel und Gesundheit. Seit 2017 trainiert sie im Rahmen der Initiative „Die Astronautin“ als Wissenschaftsastronautin für eine zweiwöchige Mission auf der Internationalen Raumstation – und wäre damit die erste deutsche Frau im All. Hier schreibt sie alle zwei Wochen über Raumfahrt, den Klimawandel und die faszinierende Welt der Wissenschaft.

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