Wenn nichts gut genug ist

Helmut Nowak ist Coach und Lehrer für Achtsamkeit und Stressbewältigung und schildert hier regelmäßig, wie man lernt, bewusster zu leben.

Helmut Nowak ist Coach und Lehrer für Achtsamkeit und Stressbewältigung und schildert hier regelmäßig, wie man lernt, bewusster zu leben.

Hannover. Es gibt sie, die Menschen, die sich annehmen, wie sie sind, mit ihren Eigenarten, Stärken und Schwächen, die sich bekennen zu ihren „Fehlern“ und Unzulänglichkeiten. Sie sind voller Mitgefühl zu sich, nachsichtig und dennoch nicht gleichgültig oder ziellos. Sie zweifeln nicht an sich, wenn etwas nicht so klappt, wie sie es sich vorgestellt haben, vergleichen sich nicht mit anderen Menschen und nehmen sich selbst nicht so wichtig. Ist man mit solchen Menschen zusammen, fühlt man sich berührt von deren Leichtigkeit und Unbeschwertheit.

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Doch man kennt auch Menschen eines ganz anderen Schlages – jene, die nie ganz mit sich und ihrem Tun zufrieden sind und unter der Unerfüllbarkeit ihres hohen Anspruchs leiden: Perfektionisten. Egal, ob als Mutter oder Vater, im Beruf, in der Freizeit oder im Alltag – immer lauert bei ihnen im Hintergrund die Befürchtung und Sorge, ob es auch gut genug ist, was sie tun. Schlimmer noch, sie sind der Überzeugung, dass es nicht reicht, bis hin zur Gewissheit, dass alles nicht gut genug, unzulänglich ist. Sie sind Getriebene des fast zwanghaften Gedankens, in allem perfekt sein zu müssen – in ihrer Leistung, Lebensführung, generell. Dabei können sie nicht wahrhaben, dass diese „Zielsetzung“ von Perfektion unerreichbar, aber ein verzweifelter Versuch ist, den Gefühlen von Unsicherheit, Wertlosigkeit oder Einsamkeit Herr zu werden.

„Ich bin nicht okay, so, wie ich bin, ich genüge nicht“

Zur Perfektion getriebene Menschen quält oft ein grundsätzlicher Zweifel, ob Ihre Leistung etwas wert ist, anerkannt wird, was im schlimmsten Fall gar in einer generellen Selbstabwertung endet: „Ich bin nicht okay, wie ich bin.“ Das zwanghafte Streben nach Perfektion ist verbunden mit psychischen Schmerzen. Die Versuche, durch noch mehr Anstrengung den Schmerzen zu entkommen, führen zu qualvollem Leid. Eine emotionale Abwärtsspirale, die nicht selten mit Suizidgedanken oder Selbsttötungsversuchen endet.

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Wie kommt es zu solch einer dysfunktionalen Strategie, durch welche eher das Gegenteil des gewünschten Ziels erreicht wird? Der Grund liegt wohl hauptsächlich in unserer Sozialisierung und der Verinnerlichung prägender Verhaltensweisen unserer Eltern, Erzieher, Vorbilder und Medien. Ungestillt bleibt die Sehnsucht nach Verbindung, anerkannt und geliebt zu werden. Und gleichzeitig ist da die Angst, in seiner vermeintlichen Unzulänglichkeit erkannt zu werden, mit der einhergehenden Befürchtung vor Ablehnung. All diese schmerzhaften Gefühle stehen in Verbindung mit einem tief im Inneren wabernden Mantra: „Ich genüge nicht.“

Ich bin nicht meine Gedanken und Gefühle

Auch andere Versuche, den emotionalen Schmerzen zu entkommen, wie zum Beispiel durch verdrängen, ablenken oder betäuben, sind meist nur von kurzer Dauer und langfristig eher kontraproduktiv. Genauso wie der Versuch, durch Nachdenken zur Lösung zu kommen. Auch dieser führt schnell zu Grübelschleifen und begünstigt eher die Entwicklung von Depression. Was also tun? Eine Alternative bietet der Achtsamkeitsweg. Hierbei geht es nicht primär um das „Wegmachen“ von leidvollen oder unangenehmen Gefühlen, sondern darum, aus der Verschmelzung der Gedanken, Gefühle und dem Selbst herauszutreten, sich also bewusst zu werden, dass ich nicht meine Gedanken und Gefühle bin, um stattdessen mit einer distanzierten und interessierten Wahrnehmung die Gedanken und Gefühle nicht wertend zu beobachten.

Dieser Fokuswechsel ist ein typisches Element einer achtsamkeitsbasierten Haltung. Durch die damit einhergehende Akzeptanz zu dem, was in jedem Moment erfahrbar ist, können sich neue Handlungsspielräume öffnen.

Kurzmeditation für den Fokuswechsel

Hilfreich kann dabei die Durchführung einer einfachen Übung sein: dem „Drei-Minuten-Atemraum“. Es handelt sich dabei um eine Art Kurzmeditation von etwa drei Minuten Länge. Diese Übung kann man im Alltag durchführen, wann immer einem ein Fokuswechsel hilfreich scheint. In jeder Lebenssituation kann uns das Innehalten und bewusste Wahrnehmen des Atems einen Weg eröffnen, um uns mit dem gegenwärtigen Moment zu verbinden, klarer zu sehen, was gerade passiert, und mehr zur Ruhe zu kommen. Man muss für diese Übung nicht unbedingt allein sein, es geht auch in der Öffentlichkeit, gar mit offenen Augen, je nach Situation. Man kann sie im Sitzen durchführen, aber auch im Stehen oder Gehen. Und so ist der Ablauf, wobei die Minutenangabe lediglich als Orientierung zu sehen ist:

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1. Minute: Alle Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen bewusst wahrnehmen.

2. Minute: Den Atem beobachten und im gegenwärtigen Augenblick ruhen.

3. Minute: Den Körper als Ganzes wahrnehmen.

Lassen Sie sich überraschen von dieser vielleicht ungewohnten Erfahrung.

Der Autor ist zu erreichen unter www.achtsamkeit-und-co.de.

Von Helmut Nowak/RND

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