Wie Frauen sich auf dem Heimweg sicherer fühlen können – und was Männer damit zu tun haben
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Nachts als Frau allein unterwegs zu sein macht vielen Angst. Aber es gibt Möglichkeiten, sich zu schützen.
© Quelle: Marijan Murat/dpa
Plötzlich berichten Frauen in Großbritannien zu Tausenden über ihre Furcht vor dem einsamen Nachhauseweg. Unter Hashtags wie Reclaimthestreets und TooManyMen sind in den sozialen Netzwerken eindrückliche Schilderungen zu finden. Es geht um die Angst im Nacken, wenn Frauen männliche Fußgänger hinter sich wissen. Wie sie dann beispielsweise das Handy umklammern, so tun, als wenn sie telefonieren, ihren Schlüssel suchen, die Mütze tiefer in die Stirn ziehen. „Jede Frau, die du kennst, ist schon verängstigt nach Hause gegangen“, fasst die Rechtsanwältin Harriet Johnson auf Twitter die Berichte zusammen.
Hintergrund des Ganzen ist ein Extrembeispiel von Gewalt gegen Frauen im öffentlichen Raum. Die 33-jährige Sarah Everard ging Anfang März in London allein von einer Freundin nach Hause, rund 50 Minuten hätte sie eigentlich für den Weg gebraucht. Doch sie kam nie an. Schließlich kam der Verdacht auf, dass sie von einer Straße in Südlondon entführt und getötet wurde. In einem Waldstück in der Grafschaft Kent hat die Polizei inzwischen eine Leiche gefunden. Unter dringendem Tatverdacht: ein Polizist und zweifacher Vater.
Angst auf der Straße: Auch Männer sind gefragt
Es liegt in der Verantwortung der Männer, die männliche Gesellschaft zu verändern.
David Paisley,
Schauspieler
Der mutmaßliche Mord an Sarah Everard und die vielen Reaktionen darauf verdeutlichen, dass sexuelle Gewalt und die Angst vor verbalen wie körperlichen Übergriffen im öffentlichen Raum weiterhin ein großes Problem sind. Dass gerade auch Männer sich mit der dahinterliegenden Struktur auseinandersetzen sollten, darauf machte anlässlich des traurigen Anlasses aus London der schottische Schauspieler David Paisley auf seinem Twitter-Account mit klaren Worten aufmerksam.
„Es liegt in der Verantwortung der Männer, die männliche Gesellschaft zu verändern“, betont er in einem Video. „Frauen können das nicht allein tun. Der Großteil der Gewalt wird von Männern ausgeübt, daher müssen Männer Maßnahmen ergreifen, und Männer müssen sich ändern.“ Um auf das Beispiel des Weges nach Hause zurückzukommen: Haben Männer das Gefühl, Frauen werden in so einer Situation unsicher, können auch sie die Straßenseite wechseln oder bewusst etwas mehr Abstand halten, um dem Ganzen die Bedrohlichkeit zu nehmen.
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Ein mulmiges Gefühl auf dem Weg nach Hause: Das ist Alltag vieler Frauen.
© Quelle: imago images/Rolf Zöllner
Auch in Deutschland verdeutlichen öffentlich geteilte Erfahrungen, aber auch Studien, woher diese Angst kommt und wieso sich Frauen in der Öffentlichkeit eben nicht so frei und unbeschwert bewegen können wie Männer. Sexismus sei omnipräsent, aber nicht an allen Orten in gleicher Dichte und Häufigkeit, heißt es beispielsweise in einer bevölkerungsrepräsentativen Studie des Bundesfamilienministeriums zu Sexismus im Alltag hierzulande. Die für die Untersuchung befragten Frauen erlebten Sexismus vor allem an öffentlichen Plätzen durch Unbekannte (46 Prozent), am zweithäufigsten am Arbeits- oder Ausbildungsplatz durch Kollegen oder Vorgesetzte (41 Prozent). An dritter Stelle stehen öffentliche Verkehrsmittel (30 Prozent).
Apps und Körpersprache: Was Frauen für mehr Sicherheit tun können
- Planung: Sofern möglich, kann man sich vorher mit Freunden für den Heimweg verabreden. Am besten sind für den Weg hell beleuchtete und breite Straßen zu wählen, wo schon von Weitem viel einsehbar ist.
- Heimwegtelefon: Wer allein auf der Straße unterwegs ist und nicht weiß, wen man anrufen soll, kann die Nummer des bundesweiten Heimwegtelefons anrufen. Unter der Nummer 030 120 741 82 (für ganz Deutschland) sitzen ehrenamtliche Menschen, die jederzeit so lange mit den Anrufern telefonieren, bis sie sicher am Ziel angekommen sind.
- Apps zur Begleitung: Mit Begleitapps wie Way Guard kann man sich virtuell auf dem Nachhauseweg begleiten lassen und gleichzeitig telefonieren oder chatten, mit Freunden oder App-Mitarbeitern. Es kann auch ein Notruf abgesetzt werden, der direkt eine Sprachverbindung mit der Leitstelle herstellt.
- Körpersprache: Aufrechte Haltung, Schultern zurück, Blick nach vorn gerichtet und ein zielstrebiger Gang: Mit dieser Körperhaltung zeigen sich Fußgänger selbstbewusst und stark. Das wirkt abschreckend.
In der konkreten Gefahr: Jeder kann helfen – aber wie?
Wer glaubt, verfolgt zu werden, sollte die Straße in einem 90-Grad-Winkel queren. So kann man checken, ob wirklich jemand hinter einem ist. Auch ein Richtungswechsel kann hilfreich sein, um in ein öffentlich zugängliches Gebäude zu gehen, etwa einen Kiosk, ein Geschäft, einen Hauseingang. In konkreter Bedrohung kann man auch zielstrebig bei Anwohnern klingeln oder andere Passanten ansprechen.
Wer in Gefahrensituationen anderen helfen will, sollte sich selbst nicht in Gefahr bringen. Flüchtende Täter sollten nicht aufgehalten werden, nicht verbal oder körperlich angegriffen werden, empfiehlt etwa das Berliner Polizeipräsidium. Stattdessen hätten sich folgende acht Punkte als wirkungsvoll und sicher erwiesen:
- Alarmieren Sie sofort die Polizei. Der Notruf ist kostenfrei.
- Sprechen Sie andere Menschen direkt an: „Wir helfen jetzt gemeinsam.“
- Verlassen Sie gegebenenfalls mit der betroffenen Person den Ort. Bieten Sie der Person „sichere Orte“ an. Also beispielsweise den Platz neben Ihnen, Ihr Auto, Ihre Geschäftsräume.
- Schreien Sie laut, das verunsichert Täter und erregt Aufmerksamkeit.
- Rufen Sie aus sicherer Entfernung laut in Richtung Täter: „Ich habe die Polizei gerufen.“
- Ziehen Sie in öffentlichen Verkehrsmitteln die Notbremse oder informieren Sie das Fahrpersonal.
- Merken Sie sich das Aussehen des Täters.
- Stellen Sie sich als Zeuge zur Verfügung.