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Wie schnell das Weltall wächst, könnte sich jetzt aufklären

Das Hubble-Weltraumteleskop hat mithilfe einer gigantischen kosmischen Linse einen tiefen Blick ins Universum geworfen. Das im Januar 2003 aufgenommene Bild zeigt einen großen Galaxiencluster namens Abell 1689.

Das Hubble-Weltraumteleskop hat mithilfe einer gigantischen kosmischen Linse einen tiefen Blick ins Universum geworfen. Das im Januar 2003 aufgenommene Bild zeigt einen großen Galaxiencluster namens Abell 1689.

München/Washington. Forscher haben eine neue Messmethode für die Ausdehnungsgeschwindigkeit des Weltalls entwickelt. Das Verfahren könnte helfen, die Kontroverse um das Wachstum des Universums beizulegen. Momentan liefert es allerdings einen noch relativ ungenauen Wert, der mit keiner der bisherigen Messungen gut übereinstimmt. Das könnte sich durch eine Optimierung der Methode ändern, schreiben die Wissenschaftler um Inh Jee und Sherry Suyu vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München im US-Fachblatt „Science“.

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Seit dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren wächst das Weltall. Dabei geht der Kosmos auf wie ein Hefekuchen, in dem sich jede Rosine von jeder anderen entfernt, und zwar umso stärker, je größer die Distanz zwischen beiden ist. So ist es auch mit den Galaxien im Weltall: Jede entfernt sich von jeder, und zwar umso schneller, je größer der Raum zwischen ihnen ist. Entdeckt hatte das vor rund hundert Jahren der US-Astronom Edwin Hubble. Die Ausdehnungsgeschwindigkeit wird ihm zu Ehren als Hubble-Konstante bezeichnet.

Messmethoden liefern unterschiedliche Werte

Die Hubble-Konstante ist einer der grundlegenden Parameter zur Beschreibung unseres Kosmos. Bereits Hubble selbst hatte versucht, sie zu bestimmen. Aber erst seit einigen Jahren sind Präzisionsmessungen der kosmischen Ausdehnungsgeschwindigkeit möglich. Das Problem dabei: Verschiedene Messmethoden liefern unterschiedliche Werte. Die sind zwar nicht sehr weit voneinander entfernt, aber weit genug, um die Frage aufzuwerfen, ob neue physikalische Erklärungen nötig sind, um die verschiedenen Messergebnisse zu erklären.

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So haben Astronomen aus der genauen Vermessung der kosmischen Hintergrundstrahlung, des „Echos des Urknalls“, einen Wert von 67 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec (km/sMpc) ermittelt. Das Megaparsec ist eine astronomische Entfernungseinheit und entspricht 3,26 Millionen Lichtjahren. Das heißt, eine Galaxie in 3,26 Millionen Lichtjahren Distanz sollte sich mit einer Geschwindigkeit von 67 Kilometern pro Sekunde von uns entfernen. Eine Galaxie in der doppelten Entfernung entfernt sich doppelt so schnell und so weiter.

Team untersuchte große Galaxien

Eine andere Messung hat den Wert der Hubble-Konstante über die Beobachtung pulsierender Sterne bestimmt, deren Helligkeit von ihrem Puls abhängt. Diese Messmethode funktioniert nur bis zu einer gewissen Entfernung und liefert einen Wert von 74 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec. Die Analyse roter Riesensterne hingegen, die in einem bestimmten Entwicklungsstadium alle gleich hell leuchten, führt zu einem Wert von 70 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec. Das Grundproblem bei allen Methoden: Während sich Relativgeschwindigkeiten im Kosmos sehr genau bestimmen lassen, sind vor allem große Entfernungen meist schwer zu messen, da es keinen absoluten Längenmaßstab gibt.

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Das Team um Jee und Suyu verfolgte nun einen weiteren Ansatz: Sie untersuchten sogenannte Gravitationslinsen. Das sind große Galaxien, die durch ihre Masse gemäß Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie den Raum krümmen und so das Licht hinter ihnen stehender Objekte verzerren können. Steht etwa eine zweite Galaxie von der Erde aus gesehen zufällig hinter so einer Gravitationslinse, kann diese zwei oder mehr Bilder der Hintergrundgalaxie erzeugen. Da das Licht der verschiedenen Bilder dabei auf unterschiedlich langen Pfaden unterwegs ist, kommt es leicht versetzt bei uns an. Daraus lässt sich die Masse der Gravitationslinse bestimmen.

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Sind neue physikalische Gesetze nötig?

Lässt sich zudem messen, wie schnell die Sterne in der Gravitationslinsen-Galaxie rotieren, ergibt sich zusammen mit der Masse der Durchmesser des Systems. Die am irdischen Firmament gemessene Größe führt dann direkt zur Entfernung der Gravitationslinsen-Galaxie. Auf diese Weise haben die Forscher die Entfernung zu zwei solchen Gravitationslinsen-Galaxien bestimmt. Mit diesem Maßstab haben sie dann die Entfernung zu 740 bereits früher beobachteten Sternexplosionen, sogenannten Supernovae, neu geeicht. Daraus ließ sich ein Wert der Hubble-Konstante von 82 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec bestimmen.

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Allerdings hat der neue Wert noch eine relativ große Unsicherheit von plus/minus acht Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec. Das liege an der geringen Zahl von nur zwei Galaxien, an der dieser Maßstab bisher geeicht werden konnte, erläutert das Team in „Science“. Mit der Entfernungsmessung zu weiteren Gravitationslinsen-Galaxien hoffen die Forscher, einen präziseren Wert für die Ausdehnungsgeschwindigkeit bestimmen zu können und damit zur Beantwortung der Frage beizutragen, ob für die Erklärung der unterschiedlichen Werte der Hubble-Konstante neue physikalische Gesetze nötig sind oder nicht.

RND/Till Mundzeck/dpa

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